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Interview mit Herrn Willy Gebel dem ehemaligen Hoteldirektor des Traumschiffes MS DEUTSCHLAND


Herr Willy Gebel ist 1941 in Preetz in Holstein geboren und lebt seit 1980 in Hindås, Schweden.

Nach seiner Ausbildung als Hotelfachmann arbeitete er für 2 Jahre in der Schweiz und im Anschluss 5 Jahre in Edinburgh, Schottland in renommierten Hotels. In Schottland konnte er seine Englischkenntnisse mit schottischem Akzent komplettieren. Sein Weg führte ihn auch an die Cornell University nach Ithaka, N.Y. USA, wo er ein paar Monate wohnte um seine  Weiterbildungen fortzusetzen. 

Er war Hoteldirektor des Traumschiffes MS Deutschland und weiteren Luxuskreuzfahrt-

schiffen. Das Abenteuer der insgesamt 46 Jahre als Gastgeber auf hoher See begann 1963 - 1964.  Ab 1967 - 2012 war Herr Gebel kontinuierlich als Hoteldirektor auf den Meeren dieser Welt zuhause. Dem Traumschiff MS Deutschland und seiner Crew war er 12 Jahre treu und durfte nach dreimaliger Pensionierung in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Nach einem intensiven Arbeitsleben trifft man den Seemann heute in der wunderschönen Natur Schwedens und bei der Bearbeitung seines Gartens. Er genießt die Zeit mit seiner Familie und Freunden.


Was bedeutet Gastfreundschaft r Sie Herr Gebel?

Gastfreundschaft bedeutet für mich, Gäste, Besucher, Freunde und Bekannte mit ehrlicher Freundlichkeit, Höflichkeit und mit "offenen Armen" zu empfangen; ihnen mit Herzlichkeit ihren Aufenthalt so angenehm und unvergesslich wie möglich zu gestalten; sich mit persönlicher Fürsorge um das Wohl der Gäste zu kümmern. 

Generell, sind Gäste eine Ehre und man zollt ihnen eine wertschätzende Umsorge und die angebotene Gastfreundschaft ist außerdem ein Vertrauensvorschuss.

 

Erzählen Sie mir von Ihren schönsten Erlebnissen als Gastgeber, lieber Herr Gebel.

Es waren für mich immer herrliche Erlebnisse und Ansporn zugleich tolle Gäste empfangen zu können, ob in Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen. Ich durfte nationale und internationale hohe Persönlichkeiten begrüßen, wie Politiker, königliche Hoheiten, Wirtschaftsführer, Filmstarts, Sportgrößen und einen amerikanischen Astronauten der ersten Mondlandung. Einfach tolle Erinnerungen. 

Natürlich auch die unvergesslichen Reisen zu den wunderschönen und interessanten Plätzen dieser Erde.

Ein Abenteuer ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Ein Besuch bei den Kopfjägern auf Irian, dem indonesischen Teil von Neu Guinea. Wir durften nach Erhalt einer Sondergenehmigung der indonesischen Regierung mit unseren Zodiaks, die wir als Tender vom Schiff benutzen, einreisen.

Das Abenteuer begann für uns in den frühen Morgenstunden, da wir bis zum Dorf des Stammes rund fünf Stunden unterwegs sein mussten. Sämtlicher Tagesproviant musste vorher zubereitet und verstaut werden. Das Klima war enorm heiß und feucht.

Ich erinnere mich, wie eindrucksvoll uns die Urbevölkerung mit Pfeilen und gespannten Bögen in ihren Einbäumen an einer Flussmündung empfing. Nach einigen Umrundungen unserer Zodiaks, begleitet von deren "Gesängen" hielten sich einige an unseren Booten fest. Uns überkam etwas Unbehagen und Angst. Plötzlich setzte sich die gesamte "Flotte" in Bewegung. Die Wegweisung in die Flussmündung und flussaufwärts bis zum Dorf übernahm der Anführer. 

Die gesamte Dorfgemeinschaft nahm uns mit Tänzen in Empfang. Wir konnten uns im Dorf alle frei bewegen, jedoch hätte man gerne "4 Augen" gehabt. 

Wir übergaben dem Stammesältesten eine Axt als Freundschaftsbezeugung und Dank für seine Gastfreundschaft. Es war eine so lebenswerte Erfahrung an die ich mit Freude zurückdenke.

Leider hat man dieses Urvolk, aufgrund der Geldmacherei mit dem Abholzen derer Wälder und der Vernichtung ihrer Dörfer, aus ihrem vertrauten Gebiet heimatlos gemacht. Sie wurden gezwungen Kleidung zu tragen und jene, die die Kleidung abgewiesen haben, haben wir bei unserem zweiten Besuch, drei Jahre später, nicht mehr im Dorf des Stammes gesehen. 

Zwischen diesen drei Jahren wollten wir das Urvolk auch besuchen. Leider wurde uns dieser Besuch von den Behörden verweigert. Du kannst dir jetzt auch vorstellen, warum.

 

Es gab viele schöne Reisen, die ich erleben durfte. Auf dem Amazonas umzingelt von einer unglaublich satten Natur, vielen Papageien und den heiligen weißen Delfinen. Ich schwärme auch oft von der Reise zu den Eisbären in der kanadischen Arctic und dem Besuch bei den Eskimos. Die superschöne Landschaft in Alaska, mit der Zugreise zum Yellow Pass hinauf, die Goldgräberroute, einfach unglaublich. 

 

Die Erinnerungen bleiben, aber ich bin sehr nachdenklich, wenn ich an die Veränderungen unserer Erde denke. Leider sieht es in den meisten beschriebenen Destinationen nicht mehr so aus wie damals. 

Dort wurde aus Rachgier nach dem Geld, die Natur und ihre Urbevölkerung ausgeraubt.

Eine Schande! 



Warum hat Sie das Arbeiten in der Gastronomie immer begeistert?

Es war das internationale Flair der großen sehr bekannten Hotels, das mich faszinierte, deshalb begab ich mich sofort nach meiner Ausbildung ins Ausland.

Ein herrliches Gefühl der persönlichen Freiheit bildete sich in mir. Ich war einfach in meinem Metier. So konnte ich meinen Wünschen auf der Suche nach mehr Erfahrung in bekannten Hotels freien Lauf lassen und immer in einem super Milieu und herrlichem Ambiente den Dienst leisten.

 

Was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese bewältigt? 

Da gab es bestimmt einige. Ich möchte dir von einer besonderen Herausforderung berichten, die es in der jetzigen Zeit so nicht mehr geben würde.

 

Ich war damals Hoteldirektor an Bord der "Lindblad Explorer" von 1976 bis 1984. Wir machten Reisen um die ganze Welt, mit einer "Nussschale" im Vergleich zu den jetzigen riesen Dampfern. Wir legten an Plätzen an und in Gegenden, in denen kein großes Kreuzfahrtschiff anlegen könnte. 

Die "Lindblad Explorer" hatte eine Länge von 73 Metern, eine Breite von 14 Metern und der Tiefgang war nur 4,5 Meter, was sehr wichtig war um so nah wie möglich an die Reiseziele heran zu kommen. Bei voller Belegung waren es 98 Passagiere und immer die gleichbleibende Anzahl der Crewmitglieder von 60 Personen. Ein kleines Schiff, mit dem wir viele Abenteuer erlebt haben.

 

Die Beschaffung von Proviant lag in meinem Bereich. Nur woher holen? Es gab damals noch fast keine Container, deshalb mussten die Bestellungen zum Beispiel für Obst und Gemüse lange im Voraus gemacht werden. Meist bis zu 6 Monate vorher damit wir bei Ankunft an den verschiedenen Häfen das Schiff beladen konnten und alles verfügbar war. 

Immer diese Ungewissheit, ob die "Schiffshändler" auch meine Bestellung erhalten hatten. Es war sehr mühsam und immer mit viel Aufregung verbunden.

Andere Produkte, wie Trockenproviant, Konserven, Getränke und Hotelausrüstung, wurden im Voraus bei der Reederei in Schweden bestellt und zwei Mal im Jahr geliefert. Oft unter schwierigsten Verhältnissen, vor Ankunft der "Lindblad Explorer," mit Frachtschiffen und unsere Agenten lagerten die Ware ordnungsgemäß. Abgesehen von "erschreckenden Fällen" wurde der meiste lokale Proviant, wenn auch oft spärlich und qualitätsmäßig, nicht der Norm entsprechend geliefert.

Die Küchencrew, mein Assistent und ich streiften dann durch die Orte der Inseln um noch weitere Köstlichkeiten für unsere Gäste zu besorgen. Meist ergatterten wir frischen Fisch, Gemüse und Früchte. Wir hatten oft Glück und konnten kleine Mengen hinzukaufen oder eintauschen.

Mein Küchenteam, vier an der Zahl, waren die größten Künstler und konnten hervorragend improvisieren. Ich war verantwortlich für die Menükreation und zusammen schafften wir für unsere Gäste kulinarische Erlebnisse. Die Speisen reichten zum Glück immer und die amerikanischen Gäste wussten unsere Anstrengung zu würdigen.

 

Die abenteuerlichsten Reisen waren natürlich in die Antarctis. Damals konnten wir uns alle ganz frei bewegen, ohne Einschränkungen wie in der jetzigen Zeit. Bei schönem, Wetter wurde an einem Eisberg fest gemacht und es gab Champagner auf Eis für unserer Gäste.

Von einer Reise möchte ich Dir noch berichten. Eine Reise, die mir die meisten grauen Haare beschert hat. Die Reisedauer war 4,5 Wochen und es waren 85 Gäste zu verpflegen. 

Sie führte von Singapore - über Christmas Island - Cocos Island - Heard Island - und dann zur Antarctis - Peninsula - via Kerguelen - Crozet Island - Bouvet Island. 

Das Ziel war Ushuaia. Wir waren viereinhalb Wochen unterwegs in der, wie man so schön sagt, "Gottverlassenen Welt der Einsamkeit". Es gab keine Möglichkeit etwas einzukaufen.

Ich hatte viele schlaflose Nächte aufgrund der Menüplanung, Berechnung des Verbrauchs und der intensiven Betreuung des Frischgemüses und dem Frischobst. 

Die immer nagenden Zweifel: Habe ich zu wenig bestellt, habe ich etwas vergessen?Auch die Getränke mussten reichen, für die Gäste und die Crew.

Eine Woche vor Ankunft hatte ich endlich die Gewissheit, alles wird reichen. In Ushuaia gab es dann die letzen 7 Wassermelonen zum Frühstück. In den Kühlräumen herrschte gähnende Leere.

Ein Gast, der am Vormittag noch einmal zur Wassermelone greifen wollte, jedoch erfolglos, meinte allen Ernstes: " That`s very bad planning!" Ich konnte nur antworten: "Yes Sir, you are so right!"



Wie würden Sie sich als Gastgeber und Führungskraft beschreiben?

Als Gastgeber würde ich mich als bewährt bezeichnen, aufgrund der vielen, vielen positiven Bestätigungen der von mir betreuten Gäste und Besatzungen. 

Als ehrlicher Realist mit gesunder Empathie, gästefreundlich, verständnisvoll, mit norddeutschem Humor. Ja, auch als vertrauensvoll und im Besitz der Kunst des Zuhörens! Für Gäste sowie für die Crew. 

In der Ruhe liegt die Kraft, Besonnenheit, Problemlösungs- und Entscheidungsbereitschaft gehörten zu meinen Qualitäten. 

 

Als Führungskraft war ich demokratisch und hatte stehts Überzeugungskraft, keine diktatorischen Eigenschaften. Vielmehr Standfestigkeit, das Erlangen des Vertrauens der Crew war mir mit das Wichtigste und vice versa. Das entgegengebrachte Vertrauen nicht zu untergraben oder zu missbrauchen. 

Die Einhaltung der Normen der internationalen Gastronomie beschreibt meine Genauigkeit. Aber genau so auch Kreativität und Verantwortung zu übernehmen.

 

Welche Eigenschaften machen für Sie eine gute Führungskraft aus?

Eine gute Führungskraft sollte den Abteilungsleitern und der gesamten Crew Wertschätzung entgegenbringen, für ihren persönlichen Einsatz und ihr Engagement. Genauso wie Lob und Danksagung für besondere, individuelle oder gemeinschaftlich geleistete Arbeit.

Ein Team kann effizient und mit Freude arbeiten, wenn es wichtige Informationen von notwendigen, zukünftigen Plänen oder Veränderungen transparent und in guter Zeit vorab erhält.

Was ich persönlich sehr schlimm finde ist, wenn Tadel oder Rüge bei Fehlern im Bereich der Gäste oder Kollegen stattfindet. Solch Gespräche gehören unter vier Augen geführt.

Leider gibt es heute zu viele "Diktatoren", Besserwisser und Rhetorikübergrößen mit Profilneurosen in Chefpositionen, denen die Ideologie der Gastronomie nur teilweise bekannt ist. 

 

Wenn Sie jetzt auf Ihre Zeit in der Gastronomie zurück blicken, wie würden Sie diese beschreiben?

Weißt du Mandy, ich konnte damals meinem Freiheitsdrang freien Lauf lassen. Mein Entschluss mich der See zu verschreiben und auf sehr bekannten Luxuskreuzfahrtschiffen zu arbeiten, war die beste Entscheidung meines Lebens! Ich habe keine Sekunde meiner sehr langen Karriere in der Gastronomie und auf See bereut. Es war meine Traumzeit!!!

Alle Schiffe hatten noch den traditionellen Stil, in der Ausstattung und in der Gastronomie an Bord. Es galt noch weitgehend die Regel 1 zu 1 - also 1 Gast - zu 1 Besatzungsmitglied. So war ein exzellenter Service in allen Bereichen möglich. Dadurch hatten wir als Crew auch genügend Zeit und mussten nicht unter großem Stress unseren Dienst leisten. 

Die elegante Garderobe der Gäste, jeden Abend auf See wurde formelle Kleidung gefordert. Nur an Sonntagen wurde die Etikette auf leger gelockert. Es war eine herrliche Atmosphäre, die ich persönlich in der heutigen Zeit vermisse. 


Das Traumschiff MS Deutschland
Das Traumschiff MS Deutschland

Leider gibt es immer weniger junge Menschen die einen Beruf in der Gastronomie erlernen möchten. Sehen Sie Möglichkeiten wie wir das ändern können?

Ja, die sehe ich. Bedauerlicherweise hat nur noch ein Teil der Gastronomie heutzutage eine besondere Popularität - die Küchenleistungen! Es sollten die Küchen- und Serviceleistungen gemeinsam dargestellt werden. 

Auch sollte man die Gehälter zum Beispiel für Auszubildende in allen Bereichen der Gastronomie reizvoller machen!

 

Gibt es etwas, dass Sie unseren zukünftigen Gastgebern und Servicehelden mit auf ihren Weg geben möchten?

Die Gastronomie und Hotellerie nicht als berufliche "Notlösung" zu sehen, sondern aus Überzeugung einzusteigen. Eine solide Ausbildung absolvieren, egal in welchem Fach der Branche. Sei teambewusst, kreativ, halte Augen und Ohren offen und entwickle keinen Tunnelblick. 

Wenn negative Gefühle den täglichen Dienst begleiten, sollte man versuchen diese zu bewältigen, zum Beispiel durch Gespräche. 

Ich wünsche allen Servicehelden viel Erfolg auf ihrem Weg in der Gastronomie. 

 

Zum Abschluss habe ich noch ein paar, von mir angefangene Sätze vorbereitet, die Sie gerne für sich passend zu Ende führen können. 

 

In einem Restaurant fühle ich mich wohl mit schöner Atmosphäre, freundlich empfangen zu werden, ein gepflegtes Erscheinungsbild der Mitarbeiter insgesamt, eine tolle Speisenerklärung und aufmerksames Personal. Das Preis- Leistungsverhältnis sollte stimmen. Und last but not least, aber äußerst wichtig: einwandfreie Räumlichkeiten und Toiletten.

Das schönste Land gibt es für mich nicht. Jedes Land hat seine Schönheit, Charme und seine eigene Historie. Die Natur und Kultur in allen Ländern hat mich immer beeindruckt.

Das Leben als Seefahrer war für mich eine herrliche, turbulente und ereignisreiche Zeit. Die gesammelte Lebenserfahrung ist für mich ein unwiederbringliches Gut! Die immer noch verlockende Seefahrt und das Gefühl der Ferne haben mich weiterhin in ihrem Bann und so wird es wohl auch bleiben!

Ich mag Menschen die Humor haben und auf die ich mich verlassen kann.

Die selbst bei passender Gelegenheit über sich lachen können.

Die eine realistische Einstellung zum Leben haben.

Die standfest sind und auch mit Freude gönnen können.

Die eine solide Entscheidungsfähigkeit besitzen.

Das wichtigste im Leben ist für mich die Gesundheit und der Familie dankbar zu sein, dass sie mir die langjährige Zeit auf See "genehmigt" hat!!! Nach einem langem und intensiven Arbeitsleben genieße ich jetzt mit voller Freude die Zeit mit meiner Familie und den beiden heranwachsenden Enkelkindern. 


Everything, you think is worthwile doing

- do it right -

otherwise you will only waste your time !!!

 

*****

 

Noggrannhet ger framgång


Lieber Herr Gebel,

ich durfte Sie bereits 2008, als meine Reise auf hoher See begann, als  Hoteldirektor unseres Traumschiffes MS Deutschland kennenlernen. Sie waren damals wie heute ein großes Vorbild für mich. Ein Hoteldirektor dem jedes Crewmitglied und jeder Gast wichtig war. Ein Chef, der mir und allen Kollegen an Bord immer wertschätzend gegenüber trat und die Gastfreundschaft lebt. 

DANKE, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben und uns inspirierende Einblicke in Ihr Leben als Gastgeber gewähren.

 

Herzliche Grüße nach Schweden, Mandy E. 


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